18.03.2021
Rückblick: Selbsthilfe-„Zehnkämpferin“ Irene Gibitz geht in den Ruhestand
Dachverband für Soziales und GesundheitSelbsthilfe
Lange ist es her. Im Herbst 2002 hat Irene Gibitz ihre Arbeit im Dachverband für Soziales und Gesundheit begonnen. Damit war sie von Anfang an beim Aufbau der Dienststelle für Selbsthilfegruppen mit dabei. Nach fast 20 Jahren ist sie nun mit 1. März in Pension gegangen. Zeit für eine Rückschau.
Schon bald nach der Gründung des Dachverbands der Sozialverbände 1993 beschlossen die Mitgliedsorganisationen, eine Anlaufstelle zu schaffen, die den vielen Selbsthilfegruppen in unserem Land mit Rat und Tat zur Seite steht. Nach einigen Vorarbeiten hat die Dienststelle für Selbsthilfegruppen im Dachverband schließlich im Jahr 2002 ihre Arbeit aufgenommen.
Nahezu von Anfang an dabei war Irene Gibitz. Sie hatte zuvor lange als Sozialassistentin im öffentlichen Dienst gearbeitet. „Angefangen hat alles mit einer Erfassung der bestehenden aktiven Gruppen“, erinnert sie sich: „159 Selbsthilfegruppen gab es damals in Südtirol. Wir haben begonnen, systematisch den Bestand zu erheben, Kontakte aufzubauen und kontinuierlich aktuell zu halten. Bis heute.“
Im Prinzip ist die Selbsthilfe wie ein Seismograph für die Anliegen und Nöte der Menschen vor Ort, sowohl im städtischen als auch im ländlichen Raum. Gesellschaftliche Probleme kristallisieren sich dabei frühzeitig heraus. In Spitzenzeiten gab es sogar 220 Gruppen. Über die Jahre hat sich die Anzahl auf durchschnittlich etwa 200 aktive Gruppen eingependelt. Ein weites Feld. Schon allein die Zahl der Selbsthilfegruppen zeigt die enorme Vielfalt. Die Themen reichen von „A“ wie Adoption bis „Z“ wie Zöliakie.
Ganz wesentlich, betont sie, war immer die gute Zusammenarbeit mit ihrer Kollegin Julia Kaufmann. „Wir haben uns einfach gegenseitig bereichert und angespornt. Über den Austausch, sich zuhören, kann man tolle Sachen erreichen. Wir haben viel gemacht. Die ganzen Fortbildungen, Tagungen. Immer wieder die Suche nach geeigneten Räumen. Das war viel Arbeit.“ Eine der größten Herausforderungen war es, immer flexibel zu bleiben. Zu schauen, wie sich die Gesellschaft verändert und sich bedarfsgerecht anzupassen und den Gruppen die nötige Unterstützung und Hilfe zu bieten. Dazu nötig war auch viel Sensibilisierungs- und Öffentlichkeitsarbeit.
Um die Zukunft der Selbsthilfe ist ihr also nicht bange. Denn die Kraft der Selbsthilfe bleibt bestehen.
Liebe Irene, für deinen Alters-(Un)Ruhestand wünschen wir dir ALLES GUTE!
Das Team und der Ausschuss des Dachverbandes
GESCHICHTE DER SELBSTHILFE IN SÜDTIROL
In Südtirol wurden nach dem zweiten Weltkrieg und vor allem ab den 1970er und 1980er Jahren die ersten Betroffenenverbände und Selbsthilfeorganisationen gegründet. Sie vertreten seither die Interessen von Menschen, die unter den Auswirkungen von Krankheiten, Behinderungen oder psychosozialen Problemen leiden und bieten Unterstützung und Beratung für Betroffene und ihre Angehörigen an. Ebenfalls in den 1970er Jahren entwickelten sich in Südtirol die ersten Selbsthilfegruppen. Ihre Teilnehmer helfen sich gegenseitig, die Anforderungen des täglichen Lebens zu bewältigen.
Schon bald nach der Gründung des Dachverbands der Sozialverbände 1993 beschlossen die Mitgliedsorganisationen, eine Anlaufstelle zu schaffen, die den vielen Selbsthilfegruppen in unserem Land mit Rat und Tat zur Seite steht. Nach einigen Vorarbeiten hat die Dienststelle für Selbsthilfegruppen im Dachverband schließlich im Jahr 2002 ihre Arbeit aufgenommen.
Nahezu von Anfang an dabei war Irene Gibitz. Sie hatte zuvor lange als Sozialassistentin im öffentlichen Dienst gearbeitet. „Angefangen hat alles mit einer Erfassung der bestehenden aktiven Gruppen“, erinnert sie sich: „159 Selbsthilfegruppen gab es damals in Südtirol. Wir haben begonnen, systematisch den Bestand zu erheben, Kontakte aufzubauen und kontinuierlich aktuell zu halten. Bis heute.“
Im Prinzip ist die Selbsthilfe wie ein Seismograph für die Anliegen und Nöte der Menschen vor Ort, sowohl im städtischen als auch im ländlichen Raum. Gesellschaftliche Probleme kristallisieren sich dabei frühzeitig heraus. In Spitzenzeiten gab es sogar 220 Gruppen. Über die Jahre hat sich die Anzahl auf durchschnittlich etwa 200 aktive Gruppen eingependelt. Ein weites Feld. Schon allein die Zahl der Selbsthilfegruppen zeigt die enorme Vielfalt. Die Themen reichen von „A“ wie Adoption bis „Z“ wie Zöliakie.
„Jemand hat uns einmal als ‚Zehnkämpfer‘ bezeichnet“, erzählt Irene Gibitz, „weil unsere Arbeitstätigkeit so breit gefächert ist. Allein schon die thematische Vielzahl. Immer wieder etwas neues! Die Arbeit blieb immer vielfältig, kreativ, flexibel und spannend.“
In diesen fast 20 Jahren in der Selbsthilfearbeit hat Irene Gibitz viele Menschen getroffen und kennen gelernt. Sehr viele engagierte Menschen: „Vermissen werde ich sicher die sozialen Kontakte, die Beziehungen. Selbsthilfegruppen leben ja davon, sich auszutauschen, sich gegenseitig zu stützen und zu helfen. Das ist toll“, sagt Irene Gibitz. Daran, dass sie den Selbsthilfegedanken über die Arbeit hinaus verinnerlicht hat und auch jetzt nach ihrer Pensionierung vom Wert der Selbsthilfe überzeugt ist, daran lässt sie keinen Zweifel: „In der Selbsthilfe liegt eine große Kraft“, betont sie, es sei schwer, das in Worte zu fassen: „Miteinander etwas tun. Das ist ein riesiges Potential, eine enorme Ressource. Vor allem ist es ein wunderbares Gefühl, dies in der Praxis zu erfahren und zu erleben. Die ungeheure Kraft, die man in Gruppen findet. Sich getragen fühlen. Dass sich Menschen für sich selber und für andere engagieren. Dass sie nicht warten, bis jemand kommt und hilft, sondern sich selbst zusammentun, um sich gegenseitig zu stützen. Das hat mir immer besonders gefallen.“Über die Zeit hat sich natürlich vieles verändert. „Anfangs hatte kaum jemand E-Mail. Wir haben viel telefoniert und kiloweise Briefe und Infos mit der Post versandt. Heute ist es total umgekehrt, nur noch ein, zwei Papier-Briefe, der Rest läuft alles über E-Mail.“
Südtirol hat so seine Eigenheiten. Die drei Sprachgruppen, die Geographie, die Landschaft prägen auch die Selbsthilfe. Da sind zum einen die Zentren, zum anderen viel ländliches, weit verstreutes Gebiet, mit oft großen Entfernungen und den damit verbundenen Schwierigkeiten für die Menschen, sich kontinuierlich zu treffen und auszutauschen. „Wir betreuen räumlich ein ziemlich großes Einzugsgebiet, sind viel und weit gefahren“, erinnert sich Gibitz. Fahrten in entlegene Orte und Rückkehr tief in der Nacht waren normaler Arbeitsalltag. „Das ist auch etwas, das sich stark verändert hat. Früher fanden die Treffen in der Regel spät abends statt. Wir sind somit auch oft erst sehr spät nach Mitternacht heimgekommen. Da kam es durchaus vor, von der Polizei aufgehalten und kontrolliert zu werden“, bemerkt sie schmunzelnd. Jetzt hingegen treffen sich die Gruppen eigentlich nicht mehr so spät am Abend.Ganz wesentlich, betont sie, war immer die gute Zusammenarbeit mit ihrer Kollegin Julia Kaufmann. „Wir haben uns einfach gegenseitig bereichert und angespornt. Über den Austausch, sich zuhören, kann man tolle Sachen erreichen. Wir haben viel gemacht. Die ganzen Fortbildungen, Tagungen. Immer wieder die Suche nach geeigneten Räumen. Das war viel Arbeit.“ Eine der größten Herausforderungen war es, immer flexibel zu bleiben. Zu schauen, wie sich die Gesellschaft verändert und sich bedarfsgerecht anzupassen und den Gruppen die nötige Unterstützung und Hilfe zu bieten. Dazu nötig war auch viel Sensibilisierungs- und Öffentlichkeitsarbeit.
Immer wieder für Überraschungen gut waren die Starts von Selbsthilfegruppen. „Wir mussten oft improvisieren. Einmal sind zu einem Gründungstreffen 30 Leute gekommen. Im Raum war aber nur Platz für acht Personen. Und natürlich gab es auch Gruppen, die trotz enormer Anstrengungen und viel Engagement nicht genügend Teilnehmer fanden und aufgegeben wurden“, bedauert sie.
Doch hier bietet gerade die Technologie neue Chancen. Das hat auch das durch Covid-19 geprägte letzte Arbeitsjahr deutlich gemacht. „Die Pandemie hat auch die Selbsthilfe verändert und Spuren hinterlassen. Die Gruppen konnten sich nicht mehr wie gewohnt treffen. Wir haben deshalb sofort begonnen, die Online-Möglichkeiten zu fördern. Viele nutzen die neuen Möglichkeiten des Austausches nun bereits relativ selbstverständlich. Andere haben ihre Tätigkeiten vorübergehend eingestellt. Wir hoffen aber, dass die Gruppen weitermachen. Es lässt sich jedoch noch nicht abschätzen, welche Auswirkungen die Pandemie letztlich haben wird. Auf jeden Fall sind die neuen Möglichkeiten die sich online bieten sehr interessant. Darin liegen viele Chancen, etwa für bewegungseingeschränkte Menschen, die ansonsten keine Möglichkeit hätten sich zu beteiligen“, ist Irene Gibitz überzeugt.Um die Zukunft der Selbsthilfe ist ihr also nicht bange. Denn die Kraft der Selbsthilfe bleibt bestehen.
Liebe Irene, für deinen Alters-(Un)Ruhestand wünschen wir dir ALLES GUTE!
Das Team und der Ausschuss des Dachverbandes
GESCHICHTE DER SELBSTHILFE IN SÜDTIROL
In Südtirol wurden nach dem zweiten Weltkrieg und vor allem ab den 1970er und 1980er Jahren die ersten Betroffenenverbände und Selbsthilfeorganisationen gegründet. Sie vertreten seither die Interessen von Menschen, die unter den Auswirkungen von Krankheiten, Behinderungen oder psychosozialen Problemen leiden und bieten Unterstützung und Beratung für Betroffene und ihre Angehörigen an. Ebenfalls in den 1970er Jahren entwickelten sich in Südtirol die ersten Selbsthilfegruppen. Ihre Teilnehmer helfen sich gegenseitig, die Anforderungen des täglichen Lebens zu bewältigen.
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